[Die Rezension wurde von Helmuth Schönauer hier veröffentlicht.]

Rezension: Eva Jancak, Das Haus

Was so monumental schlicht das Haus genannt wird, entpuppt sich bald als monströses Gebilde der Psychiatrie. Unter dem Haus verbirgt sich nichts anderes als das Spital auf der Baumgartner Höhe in Wien.

Eva Jancak führt in ihrem Doku-Roman vier Frauenfiguren durch ein scheinbar privates Jahrhundert, während die Öffentlichkeit zum Teil andere Wege geht. In beiden Geschichtsströngen geht es um die letzten hundert Jahre.

Während in der sogenannten privaten Genealogie die Urgroßmutter ihren hundertsten Geburtstag feiert, rollen die weiblichen Protagonistinnen jeweils ihre Epoche und ihr Leben auf. Sicher kommen dabei immer wieder auch Männer vor, aber in dieser Geschichte sind sie nicht federfürend. Was also ist, wenn die Geschichte einmal weiblich abläuft?

Ein ähnlicher Gedankengang zieht sich durch die öffentliche Geschichte. Anlässlich der Hundert-Jahr-Feier des Otto Wagner Spitals kommen wieder einmal alle Würdenträger zusammen, die zumindest in der ersten Reihe recht männlich ausschauen. Geht man aber der Geschichte des Hauses auf den Grund, so zeigen sich bald jene Frauen, die das Haus über hundert Jahre geführt haben.

Anhand von drei versteckt öffentlichen Figuren entwickelt die Autorin so etwas wie eine Geschichte der angewandten Psychiatrie. Klara (1907-1937), Johanna (1937-1967), Sarah (1967-1997) führen quasi in der fiktionalen Figurensprache den jeweiligen Status „lege arte” der Psychiatrie vor.

Das verblüffende ist, dass sich gemessen an der Gesellschaft kaum etwas geändert hat. Der Abstand zwischen Psychiatrie und „Welt”, scheint es, ist immer gleich groß geblieben.

Eva Jancak erzählt als begeisterte Psychologin und Psychotherapeutin mit großem Einsatz und Geduld, sie versucht die einzelnen Epochen zu würdigen und im Lichte der jeweiligen Gegenwart in ihrer Eigendynamik zu belassen. Dazu hilft die Parallelgeschichte einer Familie, die mehr oder weniger aufregend ihr Jahrhundert herunterbiegt. Am Schluss hat die Urenkelin der gefeierten Uroma eigentlich nur ein Stück Torte und einen Mac im Sinn. Das ist eine gelungene Antwort auf die hohen Ansprüche, die oft an vergangene Epochen gestellt werden.

Das Haus ist eine interessante Erzählkombination zwischen Wissenschaft und Privatleben, abgehandelt über ein Jahrhundert.

Helmuth Schönauer 20-10-2009