Es ist nicht der erste Roman von Eva Jancak, aber der erste, der ausschließlich in Wien spielt. In nur 18 Stunden, und zwar exakt im Viertelstundentakt, werden ein gutes Dutzend Personen vorgestellt, die alle aus dem Erlebnisbereich der Autorin stammen dürften:

Psychoanalytiker (darunter auch eine St. Pöltnerin) und ihre Patienten, Studenten und Absolventen der Wiener Uni, Buchhändler und Liebhaber. An einem Dutzend Schauplätzen (vom Café Sperl über den Westbahnhof und die Hauptbücherei am Urban Loritz Platz bis zur Medizin-Uni) treffen sie auf einander, gezielt oder zufällig, sprechen mit- oder nehmen Notiz voneinander. Es kommt auch zu Interaktionen zwischen manchen Beteiligten, doch bleiben diese an der Oberfläche: Der Roman lebt nicht von lebensentscheidenden oder gar kathartischen Begegnungen, wie sie Doderer in seiner Strudelhofstiege entwirft, sondern von den verschiedenen Sichtweisen ein- und derselben Situation. Die Multiplizität und Vielschichtigkeit des Erlebens bilden die literarische Intention der Autorin und den besonderen Charme dieses Werkes. Empfehlenswert scheint - wie bei der Lektüre Doderers - sich gleich beim Lesebeginn eine Personenliste anzulegen, um den Überblick nicht zu verlieren.

Wenn auch der philosophische Tiefgang fehlen mag, so kann man dem Roman Anmut und leichte, vergnügliche Unterhaltsamkeit nicht absprechen: Die Charaktere und ihr Umfeld sind plausibel beschrieben, was sicherlich einiger Recherchearbeit bedurft hat.

Ein Beispiel: Eine Berliner Germanistikstudentin kommt morgens am Westbahnhof an, um für ihre Diplomarbeit über die Rolle der Buchgemeinschaft Gutenberg im roten Wien Material zu sammeln, fühlt sich im Café Sperl vom Psychoanalytiker spannerhaft beobachtet, nimmt dort ihrerseits Notiz von einem Kaffeehauspoeten, sucht dann zu Forschungszwecken einen Buchhändler, dann einen betagten Büchersammler und schließlich die Erbin eines relevanten Bücherschatzes auf, freundet sich an mit einem arbeitslosen Dr. Phil und nimmt abends den letzten Zug zurück an die Spree, wobei sie das Abteil bis St. Pölten mit der Lehranalytikerin teilt. Es ist übrigens der 9. November, der Jahrestag des Novemberpogroms, aber Kristall wird diesmal nicht zerschlagen. Die hübsche Berlinerin reist mit friedlichen, ja verliebten Gefühlen wieder ab.

Thematisch gibt sich das Buch brandaktuell: Die Quotenregelung an der Medizin-Uni zwingt z.B. eine fleißige und begabte Studentin in die universitäre Illegalität. Manche Personen naschen gerne Mozartkugeln, womit sich der Titel des Romans erklärt.

Wer sich in Wien auskennt und seine Menschen mag, wird den Roman mit großem Amüsement lesen.

Robert Eglhofer