[Die Rezension wurde von Annemarie Moser im Podium Nr. 161/162 - Afrika veröffentlicht.]

Rezension: Eva Jancak, Sophie Hungers Krisenwelt

Die Ich-Erzählerin, Lektorin auf Werkvertragsbasis, wird arbeitslos und will die Wirtschaftskrise, die ihr eine neue Arbeit unerreichbar macht, bescheiden überdauern. Wenig Geld ausgeben, noch nicht gelesene Bücher lesen, spazieren gehen. Nach kurzer Internet-Abhängigkeit holt sie sich selbst aus der Isolation und nimmt Spaziergänge am Donaukanal auf, um Menschen kennen zu lernen.
Dieselben Spazierwege nützt ein entbehrlich gewordener Postbediensteter, der die Tagesarbeitszeit ohne Arbeit in einem Job-Center absitzen muss, eine Germanistik-Absolventin, die sich mit Telefonmarketing und Begräbnisansprachen durchfrettet, deren belesener Großvater, der nach dem Krieg die Bücherei der Arbeiterkammer aufgebaut hatte, eine Pensionistin, die ihrer Tochter hilft, indem sie deren Wohnung entmüllt und sich um die Enkeltöchter kümmert, und andere.
Zwanglos bringt Eva Jancak die Menschen einander näher, eine Liebesgeschichte entwickelt sich zwischen dem jungen Mann im Job-Center und der von ihrem Mann verlassenen Messie-Frau, als sie zu zweit deren mit Sekretärin durchgegangenem Mann nachreisen.
Das Milieu aller dieser Prekariats-AnwärterInnen ist konkret und unprätentiös geschildert. Das Einkaufen in Sozialmärkten in Wien, Graz und in deutschen Städten, preisgünstige Übernachtung in einem Hospiz, Selbstversorgung in Sozialstützpunkten.
Am Ende der Geschichte, in der alle Personen auch jeweils die eigene Geschichte erzählen, ist mindestens eine Freundschaft entstanden, auch eine Liebesbeziehung, hat die Ich-Erzählerin eine Bibliothek geerbt und ein Auge auf einen Job als Begräbnisrednerin geworfen.
Eva Jancak erzählt lakonisch, ohne Verstärkung für die komischen, witzigen Details, auch dramatisiert wird nichts, die Sprache bleibt der konkreten Realität eng "bei Fuß". Wer gern über kleinbürgerliche Geschichten die Nase rümpft, sollte das Buch trotzdem lesen, oder, bei einigem guten Willen: genau deshalb. Die Lektüre könnte den distanziert-kritischen Blick auf unverschuldet ins Prekariat geratene Menschen verändern.
Das Buch ist, wie das gesamte Werk, bei der Autorin erhältlich.